Warum ist Körpersprache so schwer zu deuten?
Körpersprache steht selten für sich allein: Zumeist bildet sie eine zweite, ergänzende Kommunikationsschiene, die uns dabei hilft, Nuancen der gesprochenen Sprache deutlicher herauszuarbeiten. Sei es die spöttische Mimik, die uns davon überzeugt, dass eine Aussage ironisch gemeint ist, oder die heftige Geste, die im Vortrag die Bedeutung eines Arguments betont – je sicherer wir Körpersprache lesen und auch selbst nutzen, desto präziser kommunizieren wir.
Soweit jedenfalls die Theorie.
In der Praxis gibt es da nämlich ein kleines Problem: Der menschliche Körper sendet zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine enorme Menge an Signalen – und nur die wenigsten lassen sich wie ein echter Code lesen. Wie viel Sprache steckt also wirklich in „Körpersprache“? Und was bedeutet das für die erfolgreiche Kommunikation im Beruf? Die Rhetorik-Experten am SEMINAR-INSTITUT haben das Thema für Sie beleuchtet.
Zwischen Sprache und Symptom: Was ist Körpersprache?
Unter dem Begriff „Körpersprache“ wird ein breites Spektrum nonverbaler körperlicher Ausdrucksformen versammelt, die wir – bewusst oder unbewusst – als Informationsquellen heranziehen, um uns einen Eindruck von unserem Kommunikationspartner zu verschaffen. Je nachdem, ob wir einander in Präsenz oder im virtuellen Raum einer Videokonferenz begegnen, können neben Körperhaltung, Mimik und Gestik auch Faktoren wie der Blickkontakt (Miremik) oder der Abstand zwischen den Kommunikationspartnern (Proxemik) in unsere Interpretation einfließen.
Mit einer Sprache im eigentlichen Sinn haben wir es dabei allerdings nicht zu tun. Das, was wir im Alltag als Körpersprache bezeichnen, hat weder ein festes Zeichenrepertoire (d.h. ein Vokabular) noch klare Regeln für den Gebrauch dieser Zeichen (eine Grammatik). Was das bedeutet, zeigt sich besonders deutlich im Vergleich zur Gebärdensprache: Diese Form der nonverbalen Kommunikation ist so codiert, dass alle, die eine Gebärdensprache benutzen, genau wissen, was welche Bewegung bedeuten soll. Dadurch wird es möglich, eindeutige Aussagen zu treffen – zum Beispiel „das Meeting findet am Montag statt“.
Solche klaren Aussagen können wir mit den Mitteln der Körpersprache nicht treffen. Das liegt daran, dass Körpersprache zum Großteil aus sogenannten Indices besteht: Aus Hinweiszeichen, die erst dadurch eine Bedeutung gewinnen, dass wir sie auf Grundlage unseres individuellen Erfahrungswissens mit irgendetwas in Verbindung bringen. Zwar können wir diese Indices auch bewusst verwenden. Ob diese Zeichen so interpretiert werden, wie wir es uns wünschen würden, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
Da ein- und dasselbe nonverbale Signal als Index in verschiedenen Kontexten auftauchen kann, eröffnet das enormen Interpretationsspielraum. Beugen wir uns beispielsweise zu unserem Gesprächspartner vor, um Interesse zu signalisieren, kann dieser unsere Haltung aufgrund seines Erfahrungsschatzes als Hinweis auf eine vollkommen andere Ursache deuten: Wir könnten uns ja auch zu ihm vorbeugen, weil wir ihn schlecht hören können.
Ausdrucksstarke Körpersprache oder missverstandenes Signal? Ein Fallbeispiel aus der Berufspraxis
Ein bekanntes Beispiel dafür, wie sich die Vorstellung von Körpersprache als Code auf die Kommunikation im Beruf auswirken kann, sind die vor der Brust verschränkten Arme. Viele von uns haben bereits in der Schule gelernt, diese Geste als Zeichen einer ablehnenden, abwehrenden, ja, vielleicht sogar feindseligen Einstellung zu deuten. Stellen wir uns nun einen Mitarbeiter vor, der im Teammeeting diese Haltung einnimmt, während ein Kollege das nächste Projekt des Teams vorstellt, könnten wir das als Zeichen dafür deuten, dass dieser Mitarbeiter nicht hinter dem Projekt steht und seine neuen Aufgaben nur widerwillig in Angriff nehmen wird.
Ganz so eindeutig ist der Fall aber nicht: Es gibt schließlich viele verschiedene Gründe dafür, dass Menschen die Arme vor der Brust verschränken. Dem Mitarbeiter in unserem Szenario könnte beispielsweise einfach kalt sein – oder er muss gleich selbst noch einen Teil des Projekts präsentieren und leidet unter Lampenfieber. Unter diesen Bedingungen könnten die verschränkten Arme sein Versuch sein, die Hände zu wärmen oder ein Zittern zu verstecken, das Kollegen und Vorgesetzte als Zeichen von Unsicherheit interpretieren könnten. Alternativ könnte die Geste aber auch Teil einer ausgefeilten Kommunikationsstrategie sein. Gerade weil ihm das neue Projekt wichtig ist, möchte dieser Mitarbeiter besonders souverän auftreten. Also verschränkt er bewusst die Arme, weil ihm das dabei hilft, während des gesamten Meetings eine aufrechte, selbstbewusste Haltung einzunehmen.
Ob hinter einer Geste wirklich das steckt, was wir darin zu lesen meinen, lässt sich nur selten mit Sicherheit sagen. Und das bringt uns zur Crux der ganzen Thematik: Nonverbaler Ausdruck ist immer Interpretationssache – und dessen sollten wir uns bewusst sein. Versuchen wir, Körpersprache zu lesen wie eine echte Sprache, laufen wir Gefahr, uns vorschnell auf eine Deutung der Situation festzulegen. Liest etwa der Teamleiter die verschränkten Arme als klares Zeichen von Ablehnung, kann das nicht nur die nachfolgende Kommunikation, sondern auch die Aufgabenverteilung im Team beeinflussen: Schlimmstenfalls wird am Ende einem eigentlich überaus motivierten Mitarbeiter eine Rolle zugeordnet, in der er nicht sein volles Potenzial entfalten kann – weil eine unbedachte Geste allzu stark interpretiert wurde.
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