Drei kognitive Verzerrungseffekte, vor denen Sie sich hüten sollten
Gute Vorbereitung, Konzentration, Multitasking: Eine erfolgreiche Verhandlung verlangt uns einiges ab. Wenn sich das Gespräch in eine unvorhergesehene Richtung entwickelt, müssen wir bereit sein, unsere Strategie anzupassen. Im Fall eines solchen Richtungswechsel kommt es allerdings nicht nur darauf an, unsere Verhandlungspartner im Auge zu behalten – auch uns selbst dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren. Je hitziger die Verhandlung und je wichtiger das Ergebnis, desto größer ist schließlich auch die Gefahr, auf strukturelle Denkfehler hereinzufallen.
Ein Bias – zu Deutsch: eine kognitive Verzerrung – liegt vor, wenn unser Gehirn in Bezug auf bestimmte Informationen systematische Fehlurteile fällt. Wie es dazu kommt, dass sich unser Kopf in manchen Situationen selbst austrickst, wollen wir Ihnen in diesem Artikel zeigen. Die Experten von SEMINAR-INSTITUT haben sich für Sie mit dem Thema Bias beschäftigt, aus Perspektive der Kognitionspsychologie und insbesondere mit Blick auf die Art und Weise, wie sich strukturelle Denkfehler auf die Verhandlungsführung im Beruf auswirken können.
Wenn das Gehirn sich selbst austrickst: Wie kognitive Verzerrungen entstehen
Der englische Begriff „cognitive bias“ wird im Deutschen zumeist mit „kognitive Verzerrung“ übersetzt. Dabei handelt es sich um einen Sammelbegriff aus der Kognitionspsychologie, die Bias-Phänomene verstärkt seit Beginn der 21. Jahrhunderts untersucht. Im Zuge der Forschung wurde eine ganze Reihe solcher Verzerrungen identifiziert.
Über Jahre hinweg gab es, einfach zusammengefasst, zwei grundsätzlich verschiedene wissenschaftliche Sichtweisen: Der Bias war entweder ein Denkfehler oder eine Heuristik, d.h. eine Methode, um auf Grundlage weniger Informationen schnell eine Entscheidung zu treffen. Heutzutage sind die kognitionspsychologischen Lager weniger verfeindet und die Klassifizierung differenzierter. Dennoch ist das Konzept der Heuristik als „Abkürzung im Denken“ interessant für uns, denn seinen Ursprung hat das Phänomen des Bias in der Evolutionsgeschichte des menschlichen Gehirns. Für unsere Vorfahren war es oftmals überlebenswichtig, ein Urteil sofort zu fällen und lieber bei Bedarf noch einmal zu revidieren. So war es beispielsweise von Vorteil, im Dickicht einen Tiger zu erkennen und sofort das Weite zu suchen – selbst wenn sich später herausstellen sollte, dass das erkannte Muster vielleicht gar kein Tiger war.
Verfechtern der Heuristik-Perspektive zufolge sind kognitive Verzerrungen wie diese auch heute nützlich, weil sie es uns ermöglichen, einen guten Teil unserer Entscheidungen im Alltag schnell und ohne großen kognitiven Aufwand zu treffen. Allerdings müssen wir uns auch darüber bewusst sein, dass Abkürzungen im Denken in unserer Informations- und Wissenswelt zu falschen Entscheidungen führen können. Als besonders fehleranfällig erweist sich unser Denken, wenn wir gestresst sind. Kein Wunder also, dass das Thema Bias ausgerechnet bei Verhandlungen eine große Rolle spielt: Hier kommen Multitasking, Zeit- und Erfolgsdruck zusammen – was komplexe Informationsverarbeitung deutlich erschwert.
Um unsere Verhandlungsstrategie vor kognitiven Verzerrungen zu schützen, ist es daher besonders wichtig, dass wir uns die Fehleranfälligkeit unseres eigenen Denkens bewusst machen. Im Nachfolgenden stellen Ihnen die Experten von SEMINAR-INSTITUT drei besonders häufige Biases vor, die Sie vielleicht schon einmal selbst im Rahmen einer Verhandlung erlebt haben.
Bias #1: Der Bestätigungsfehler (confirmation bias)
Dieser Bias führt dazu, dass wir Informationen so auswählen und interpretieren, wie es unseren bereits bestehenden Erwartungen entspricht. Wir wählen nicht etwa unvoreingenommen die für unser Problem relevanten Fakten aus, sondern diejenigen, die unsere Erwartungen oder Vorurteile bestätigen. Dadurch trägt dieser sogenannte confirmation bias generell zur Selbstüberschätzung bei – eine weitere Gefahr in Verhandlungssituationen.
Nehmen wir beispielsweise an, dass wir im Zuge unserer Vorbereitungen auf eine Verhandlung bestimmte Annahmen über die Position unseres Verhandlungspartners machen. Da unser Wissen über ihn, seine Optionen und Ziele unvollständig ist, können wir uns nicht sicher sein, dass wir richtig liegen. Kommen nun im Verlauf der Verhandlung Hinweise ans Licht, die unsere Annahmen infrage stellen, so müssen wir uns dazu bringen, diese neuen Informationen unvoreingenommen zu bewerten. Strukturell neigen wir nämlich eher zum Gegenteil – dazu, unsere bereits getroffenen Annahmen zu bestätigen und gegenteilige Informationen zu wenig zu berücksichtigen.
Bias #2: Eskalierendes Commitment (sunk-cost fallacy)
Wer bereits eine große Menge an Ressourcen (Geld, Zeit, emotionales Investment usw.) aufgewendet hat, um ein Ziel zu erreichen, neigt dazu, noch mehr zu investieren, um das Ziel zu erreichen – obwohl er bislang erfolglos war. Und so kontraintuitiv das klingen mag: Diesen Fehler machen wir alle früher oder später, „weil wir ja schon so viel in die Sache hineingesteckt haben“ und jetzt nicht einfach aufgeben können. Und so kommt es, dass wir weiterinvestieren, um unser bisheriges Investment zu schützen oder zu rechtfertigen, anstatt uns mit dem Fehlschlag abzufinden.
Wer schon einmal mehrtägige, körperlich wie geistig erschöpfende Verhandlungsrunden hinter sich gebracht hat, wird nur zu gut wissen, wie negativ sich dieses eskalierende Commitment auf die Ergebnisse auswirken kann. Nach all dem Aufwand sind wir irgendwann womöglich bereit, Konzessionen zu machen, die zu Beginn undenkbar gewesen wären – oder wir drängen im Gegenteil allzu stark auf eine Lösung in unserem Sinne und machen damit schlimmstenfalls die Ergebnisse langfristiger Beziehungspflege zunichte. Vor dieser Neigung müssen wir uns hüten. Denn eine Verhandlung abzubrechen, kann die weitaus bessere Entscheidung sein, als sie ‚um jeden Preis‘ zu einer Einigung zu führen, die wir anschließend bereuen.
Bias #3: Die Status-quo-Verzerrung (status quo bias)
Wenn es darum geht, in einer Situation, in der wir nicht alle Informationen haben und uns unsicher fühlen, eine Entscheidung zu treffen, bevorzugen die meisten Menschen den Status quo gegenüber irgendeiner Veränderung. Das liegt daran, dass Veränderung immer mit einem gewissen Risiko einhergeht – und wenn wir nicht ausreichend sicher einschätzen können, ob die Folgen positiv oder negativ sein werden, entscheiden wir uns tendenziell gegen die Veränderung, um das Risiko ganz zu umgehen.
Dieser Bias ist das Produkt zweier kognitiver Verzerrungen: Hier spielen Verlustaversion und Endowment-Effekt zusammen. Erstere führt dazu, dass wir Verluste ungleich höher gewichten als Gewinne, letzterer lässt uns Güter als wertvoller ansehen, wenn wir sie besitzen. Die Kombination aus beiden Verzerrungen kann in Verhandlungen zu Stillstand führen, weil wir nicht geneigt sind, unvorhergesehene Angebote anzunehmen oder unsererseits spontan Konzessionen anzubieten, obwohl das Ergebnis für uns von Vorteil wäre.
Rhetoriktraining und Verhandlungscoaching für Anfänger, Fortgeschrittene und Profis
Sie möchten Ihre Verhandlungstechnik aufs nächste Level bringen und lernen, auch schwierige Gespräche zuverlässig zu lenken? Wir helfen Ihnen dabei. In den Themenkreisen von SEMINAR-INSTITUT finden Sie eine Vielzahl von Seminaren und Rhetoriktrainings, die Sie einerseits auf die Anforderungen spezifischer Kommunikationssituationen wie Verhandlungen oder Mitarbeiterjahresgespräche vorbereiten und es Ihnen andererseits ermöglichen, Ihren ganz persönlichen Kommunikationsstil weiterzuentwickeln..
In unserem Seminar „Sichere Entscheidungen treffen“ liegt dabei ein besonderer Fokus auf dem Thema der kognitiven Verzerrungen: Gemeinsam mit unseren Experten spüren Sie hier der Frage nach, welche Faktoren Ihre Entscheidungsprozesse im Beruf beeinflussen, und entwickeln Strategien, mit denen Sie Chancen und Risiken gleichermaßen souverän einschätzen können. Möchten Sie gezielt daran arbeiten, in stressigen Situationen die Kontrolle über Verhandlungssituationen zu behalten, empfehlen wir außerdem unser Seminar „Argumentations- und Schlagfertigkeitstraining“: Hier lernen Sie anhand einer praxisorientierten Mischung aus Kommunikationstheorie und Rhetoriktraining, selbst in hitzigen Diskussionen einen kühlen Kopf zu bewahren und sich nicht zu Entscheidungen verleiten zu lassen, die Sie später eventuell bereuen.